Maßnahmenverlauf
Der Maßnahmenverlauf gliedert sich in folgende vier Phasen.
Phase I: Beziehungsaufbau
Die unbekannte Umgebung mit völlig anderen Lebensbedingungen und das Fehlen von Landes- und Sprachkenntnissen seitens der Jugendlichen sind die „natürlichen“ Motivationsbedingungen für ein enges Zusammensein und Zusammenarbeiten zwischen dem jungen Pilgerer und seinem Betreuer und bieten im Prinzip keine Möglichkeiten zur Flucht und Distanzierung und verhindern die „Null-Bock-Mentalität“ der deutschen Jugendlichen. In diesem überschaubaren Aktionsradius in der Natur werden alle täglichen Angelegenheiten wie z.B. Nahrungszubereitung, Aufräumen, Unterkunft bzw. Schlafplatz herrichten, Wäsche waschen usw. gemeinsam erledigt. Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit in diesem Rahmen wird die Teilnahme z.B. an Expeditionen zu Seen und Berghöhlen und an Wildwasserfahrten mit ganz anderer Motivation wahrgenommen. Das bewegt die Jugendlichen dazu, über ihren eigenen Schatten zu springen. Die Expeditionen haben sich als sehr motivationsfördernd für die Beziehung Betreuer – Jugendlicher erwiesen. Der Pädagoge wird als Mensch angesehen und anerkannt. Sind die Beziehungen zwischen dem Jugendlichen und seinem Betreuer ausreichend gefestigt, wird gemeinsam die nächste Phase geplant.
Phase II: Erweiterter Gesichtskreis und „individuelles Projekt“
„Traktorprojekt“:
Die Jugendlichen bauen einen Traktor zusammen, um auf dem Feld für den eigenen Bedarf zu arbeiten oder der Dorfgemeinschaft zu helfen.
„Autoprojekt“
Sie machen ein Schrottauto fahrbar, um fachtechnisches Wissen (Lackierarbeit, Karosseriearbeit, Schlosserkenntnisse) zu erwerben und eine Fahrererlaubnis zu bekommen, die auch in Deutschland ohne zusätzliche Prüfung eine bestimmte Zeit gültig ist.
„Tierzuchtprojekt“:
Die Jugendlichen züchten Haus- und Kleintiere (Kaninchen, Meerschweinchen, Hühner, Gänse, Enten, Tauben usw.), bestellen einen eigenen Acker oder lernen die Imkerei, um handwerkliche und wirtschaftliche, zoologische oder kaufmännische Grundkenntnisse zu erwerben.
„Soziales Projekt“:
Die Jugendlichen helfen in Not geratenen Menschen. Sie besorgen Lebensmittel, renovieren, begleiten Kranke und Alte zum Arzt, heizen deren Wohnungen usw., unterstützen mit ihren Kooperationspartnern, zum Beispiel dem Verein „Strannik“, Straßenkinder. Parallel dazu werden potentielle Freizeitinteressen der Jugendlichen erkundet und gefördert. Nach Möglichkeit werden die Jugendlichen zur aktiven Teilnahme an entsprechende Vereine oder Freizeitgruppen herangeführt. Je nach pädagogischer Notwendigkeit setzen wir erlebnispädagogische Elemente ein – insbesondere bei Krisensituationen.
Hat der Jugendliche erste positive Erfahrungen mit seinen eigenen Kräften, seiner eigenen Leistungsfähigkeit gesammelt, folgt der Übergang zur III. Phase.
Phase III: Vorbereitung auf Schul- oder Berufsausbildung
Die intrinsische Motivation bewegt den Jugendlichen zum gezielten Lernen. Der junge Mensch ist in dieser Lebensphase bereit, einen Schulabschluss anzustreben (in einer deutschsprachigen Schule, durch Fernschule oder Einzelunterricht) oder vorbereitende Qualifikationen zu erwerben. Die im Laufe des Projektes erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten können ebenfalls genutzt werden, um berufliche Qualifikationen zu erwerben. Dazu wird ihnen Gelegenheit gegeben, sich in Praktika zu erproben und in unterschiedlichen Arbeitsfeldern aktiv mitzuarbeiten (z.B. Bäckerei, Autowerkstatt, Bauernhof, Friseursalon, Cafe, Tischlerei usw.). Durch das Internet besteht eine Möglichkeit, zu vergleichbaren deutschen Ausbildungsbetrieben Kontakt aufzunehmen und professionellen Lernaustausch herzustellen. Musikalische, künstlerische und kulturelle Bedürfnisse der Jugendlichen werden berücksichtigt und unterstützt. Das verstärkt die Selbstsicherheit des Jugendlichen, beeinflusst den erzieherischen Prozess und erleichtert die Integration bei der Rückkehr nach Deutschland.
Phase IV: Ablösephase und Vorbereitung auf die Rückkehr nach Deutschland
Eine ausreichende und angemessene Vermittlung der Erfahrungen und Erkenntnisse aus der bisherigen Arbeit mit dem jungen Menschen ist ebenso von Bedeutung wie die Begleitung des Jugendlichen in den neuen Lebensabschnitt durch eine vertraute Bezugsperson.
Nachbetreuung
Die Nachbetreuung in Deutschland erfolgt in der eigenen Einrichtungdes Geschäftsführers im Landkreis Hannover, wobei sich auch die Unterbringung in die Einrichtungen der Kooperationspartner von „Pilger“ bei Bedarf organisieren lässt.
Elternarbeit
Eine positive Entwicklung der Jugendlichen ist nicht zuletzt von der gesamten Situation und Entwicklung im Elternhaus abhängig. Daher wird großer Wert auf die Beziehungen und Kommunikation zwischen Herkunftsfamilie und den Jugendlichen gelegt. In Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und den Eltern/Sorgeberechtigten werden die Strategien der Elternarbeit entwickelt, im Hilfeplan festgelegt und auf der Basis der Entwicklung des Jugendlichen und der gemachten Erfahrungen fortgeschrieben. Die Eltern/Sorgeberechtigten werden regelmäßig über den Entwicklungsstand ihres Kindes informiert. Sofern es sich als pädagogisch sinnvoll erweist, haben die Eltern/Sorgeberechtigten die Möglichkeit, den Minderjährigen am Projektort zu besuchen.